Fragen von Sybille Prins
#1
Fragen an Armin Pangerl
Bitte, stelle Deinen Künstlerischen Werdegang und Deine derzeitigen künstlerischen Aktivitäten dar.
Ich wurde am 13.05.1965 in Bayreuth geboren und kurz darauf als Armin Andreas Pangerl evangelisch getauft.
Vor etwa 30 Jahren habe ich während meines zweiten psychotischen Schubes das Malen für mich wiederentdeckt. Gleichzeitig fing ich an zu schreiben. Zu dieser Zeit entstanden immer mehr Werke von mir und von Anfang an verkaufte ich diese Werke an die Schwestern aus dem Krankenhaus oder an meine Ärzte, sowie Freunde und an all die Leute die meine Bilder mochten. Es war ein guter Markt für mich, weil dieser leicht und direkt zu bearbeiten war und meine Bilder ihre Käufer fanden.
Die Einnahmen steckte ich immer wieder in meine Kunst. Auch was ich sonst noch so übrig hatte steckte ich in Materialeinkäufe. Aus diesem anfänglichen, ich sage das ganz bewusst, Hobby, wurde eine gewisse Professionalität, wodurch immer mehr Werke entstanden. Auch mit anderen Künstlern und Künstlerinnen fand ich Wege gemeinschaftlich zu produzieren. Bald war es dann soweit, (ich zählte die Jahre nicht) daß meine Arbeiten nicht mehr in die Küche passten. Der Raum reichte nicht mehr.
Als sich die Gelegenheit bot eine Fabrikhalle zu mieten griff ich kurzerhand zu und eröffnete mit drei anderen Künstlern ein Gemeinschaftsatelier auf 450m².
Dieses Atelier öffnete jeden Sonntag von 13.00-18.00Uhr seine Pforte für alle, die an uns und unserer Kunst teilhaben wollten. Material war irgendwie immer da und es flogen phasenweise auch mal richtig die Fetzen rund um die Kunst. Nach etwa 5 Jahren mussten wir aber raus und so ging wieder jeder seine eigenen Wege.
Das war der Zeitpunkt als die Künstlerpatenschaften entstanden und „Das Atelier“ gegründet wurde. Neben her erlernte ich den Beruf des Mediengestalters und machte mich selbständig. In dieser Zeit habe ich eine Vielzahl an Projektideen verwirklichen können aber nicht alles war immer mit Erfolg gekrönt. Die letzten beiden oder besser drei Projekte haben mich gesundheitlich sehr stark mitgenommen. Obwohl ich bin das schon gewohnt sein müssten, weil ich immer irgendwie gegen Widerstände segeln musste.
Aktuell war ich für die Auswahl von Künstler und Künstlerinnen beim ersten ‚Outsider Art Markt‘ in der Sammlung Prinzhorn mitverantwortlich. (2007)
Gleichzeitig schiebe ich nach wie vor das Projekt www.kuenstlerpatenschaften.de an.
Meine Kunst, sprich Malerei, gibt es in allen Preislagen und Möglichkeiten zu mieten und zu kaufen. Zudem sehe ich mich als Sprecher des Fachbereiches Malerei für den BPE. Ich bin Gründungs- und Fördermitglied des Fördervereines des BPE und unterstütze diesen nach meinen Kräften und Möglichkeiten.
Neben der qualitativen Diplomarbeit über eines der Projekte das sich „Das Atelier“ nennt und dem ich vorstand, soll in Bälde auch eine Ausstellung entstehen die mit Studenten der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg realisiert wird.
Neben bei arbeite ich in der Tagesklinik in Lahr und wenn mir das Geld nicht reicht oder wenn ich Lust habe, gehe ich in den Wald und mache dort waldbauliche Arbeiten, um mich körperlich zu stärken.
Ich könnte noch erwähnen daß ich eine abgeschlossene Ausbildung als Stahlbetonbauer habe und daß ich bei der Bundeswehr war, sowie schon eine Zeitlang im mittleren Management in einem Sicherheitsunterneh¬men gearbeitet habe.
Ich versuche die Anlaufstelle, die im Bereich der bildenden Kunst, die im näheren Zusammenhang mit der Psychiatrie entstanden sind, für Künstler und Künstlerinnen zu sein.
Was hältst du von der Verbindung „psychiatrieerfahren“ und Kunst?
Wie beurteilst du solche Kunstrichtungen wie „Art brut“ oder „Outsider Art“?
Wie handhabst du das selbst?
Grundsätzlich haben die Begriffe Psychiatrieerfahren und Kunst nichts gemein. Es gibt aber eine Strömung, welche diese Verbindung vermeintlich sucht und auch befürwortet. Das wäre jedoch so wie wenn ich Wundkranken eine bestimmte Kunstrichtung zuordnen sollte. Das ist meiner Meinung nach nicht möglich. Weil die Schuhe nicht zueinander passen und eine Diskussion entsteht, die nicht richtig ist. Es wäre falsch und verletzend, wenn wir die Kunst, ich spreche hier generell von Kunst, den Psychiatrieerfahenen zuzuordnen. Das wäre so als ob wir den Busfahrenden unter uns den Zuckerkranken zuordnen. Oder den Behinderten die Outsider Art.
Dass Kunst innerhalb der Räume der Psychiatrie entstehen darf, ja sogar muss, ist eine gesellschaftliche Forderung, die ich teile und auch vertreten kann. Alles andere in diesem Zusammenhang führt in einen Bereich der Diskussion bei dem ich mich sehr quälen muss um Verstehen wachsen zu sehen.
Alleine durch die Fragestellung entstehen Missverständnisse: Wer ist wie psychiatrieerfahren und was für eine Kunst ist gemeint? Mir ist das alles zu sehr ein Alleinanspruch, den ich als Position nicht teilen werde.
Ich schätze Art Brut sehr. Das ist eine recht klare und grundsätzliche künstlerische Position die gefunden wurde. Es sollte aber darum keine Religion gemacht werden, weil es zu Meinungsunterschiedlichkeiten auch im historischen Kontext kommt.
Outsider Art trifft das was gesucht wird schon wesentlich besser. Wie lange jedoch und da stelle ich eine Gegenfrage, wollen wir noch diese Begrifflichkeiten in die Gegenwart transportieren, wenn wir über bestimmte Erscheinungsformen von Kunst reden. Wir können uns alle, jeder für sich, in eine Ecke stellen und über das Nachdenken, was es jeweils für uns selbst persönlich bedeutet. Wir kämen zu unterschiedlichen Haltungen. Gerade das ist die eigentliche Schwierigkeit jeder Zuordnung einer Sache zu einem bestimmten Ding oder Abstraktum. So werden wir das Problem nicht lösen und definieren können. Jemand der nie ins Museum gegangen ist, wird sich auch nicht mit Kunstgeschichte auskennen, geschweige denn über eine bestimmte Ausprägung ein Urteil fällen können. Selbst wenn es ein Museum war: Was hat er oder sie dann gesehen? Expressionisten Manieristen oder Outsiderart brutler/ innen.
Insofern verstehe ich den Glauben der dahinter wohnt und sich ein Zuhause sucht nicht.
Einen Teil der dritten Frage habe ich beantwortet und schon erklärt, wie ich dazu stehe. Aber noch mal zur Verinnerlichung: Was machen diejenigen die schreiben und diejenigen die denken und philosophieren? Stehen sie gleichrangig mit den Malern und Bildhauern in diesem Konstrukt? Sind sie nun behindert, weil sie Kunst machen oder ist ihre Kunst aus der Behinderung gewachsen?
Eine trügerische Frage voller Idylle, wenngleich sich mein letztes Argument dazugesellt: Ich finde den Maler „XY“ sehr gut und ich denke es ist ein Outsiderart-brut-Künstler. Ich habe viele Bilder von Ihm. Nun stellt er an berühmter Stelle aus und im Anschluss daran kann ich mir seine Kunst nicht mehr leisten. Außerdem malt er ganz anders, weil es ihm dann gerade so passt.
Oh je was mach ich nur, denke ich mir und werfe das ganze Zeugs das er gemacht hat ins Archiv und suche mir einen besseren Job, mit dem ich soviel Geld verdiene, damit ich mir seine Werke wieder leisten kann. Der Typ wird aber abermals krank, kommt in die Klapse und verschenkt alles was er in den letzten Monaten gemacht hat an die Schwestern und Brüder der Klinik. Enttäuscht wende ich mich endgültig von diesem „Tu nicht gut“ ab und suche mir andere von denen ich glaube (und das ist das Argument: Glaube), daß er oder sie ein/-e echter/-e Künstler/in dieser Zeit ist. Denn meine Spekulation ist nicht aufgegangen.
Es heißt oft, nicht die Psychiatrieerfahrung, sondern die künstlerische Qualität müsse ausschlaggebend sein. Wie siehst Du die Chancen, daß das auch wirklich umgesetzt wird? Insbesondere, wenn man bedenkt, wie wichtig den Psychiatrie-Erfahrenen oft ihre kreative Tätigkeit ist, und daß sie Ablehnungen/Kritik oft nicht gut vertragen. Oder ist das eher ein allgemein menschliches Problem?
Grundsätzlich sollte bei aller Kunst nur die Kunst etwas bedeuten. Sich dem Markt zu verweigern sagt nichts über die Qualität der Arbeit aus.
Pschiatrieerfahrung ist kein Freibrief für gute Kunst. Was gute Kunst ist bestimmt das Publikum, wobei dieses nicht unbedingt und schon gar nicht ausschließlich aus Leuten aus der Psychiatrie bestehen sollte.
Gerade die Chancen im freien Markt sind es, die den Künstlern die Freiheit bieten angenommen zu werden. Was hätten wir davon, ein Leben lang in Nischen zu arbeiten und beständig beschützt zu werden? Also gönnen wir uns etwas mehr Freiheit, auch wenn es schwerfällt.
Das menschliche Problem wird sich nicht ändern lassen. Wer Erfolg erwartet wird erheblich mehr enttäuscht sein, als jemand dem es gleichgültig ist was geschieht.
Das ist wie ein Spiegel in den wir alle sehen müssen. Lernen wir daraus, was an der Kunst falsch war und warum sie nicht verkauft oder honoriert wurde, dann erlernen wir die Perspektiven die notwendig sind, um in freien Märkten Kunst zu etablieren. Gleichfalls sollten wir immer bedenken, in welchem räumlichen Umfeld wir unsere Produktionen zeigen. Was sich vor Ort vielleicht nicht verkaufen lässt (weil immer gegenwärtig) kann anderenorts vielleicht ein absoluter Renner sein.
Deswegen fordere ich die Abschaffung von Nischen. Ich hoffe, daß es immer mehr Leute gibt, welche wie ich die Nischen nicht mehr wollen. Ich brauche keine Nische – ich brauche einen Markt denn, das ist ein Gesetz des Marktes, wo kein Kunde da kein Käufer.
Gleichzeitig beschütze ich diejenigen in den Nischen, diejenigen welche die Nischen für sich noch brauchen. Ändern kann ich daran nämlich nichts, nur der Künstler kann das entscheiden wohin er will.
Grundsätzliche sind alle Positionen dazu in einem Prozess der Entwicklung zu sehen. Wo ich mich persönlich stehen sehe ist völlig gleichgültig, weil es immer jemanden gibt, der das wiederum ganz anders sieht. Soll dieser Mensch doch die Freiheit dazu haben und selbst entscheiden, was er/sie will!
Wie nimmst du die Diskussion/Artikel über psychiatrieerfahrene Künstler/innen wahr?
Wie geht es dir, wenn z.b. über verstorbene Berühmtheiten mit psychischen Problemen geschrieben/geredet wird?
Findest du das eher ermutigend oder eher voyeuristisch?
Welche Diskussion ist damit gemeint? Artikel lese ich immer unter dem Aspekt liegt der Schwerpunkt des Artikels auf dem Umstand der Psychiatrieerfahrung oder ist diese ein Hindernis bei der Herstellung der Kunst gewesen. Wir können zwei Dinge tun:
Wir können den Rest unseres bescheidenen Lebens immer und immer wieder sagen das jemand in der Psychiatrie war und das seine Kunst aus diesem Grund besonders ist.
Oder wir können die Kunst als solche schätzen.
Es gibt ganze Bücher voll mit Untersuchungen, bei welchen die Öffentlichkeit einbezogen wird, darüber zu urteilen, was jetzt an der Kunst besonders psycho-chaotisch war oder von einem anderen Blickwinkel betrachtet: Warum dieser Mensch so verrückte Kunst macht.
Stellen wir uns eine Niki de Saint-Phalle oder Tinguely ohne ihren Wahnsinn vor. Was wäre dann ihre Kunst wert? Sollen wir die Kunst im Wert des Wahnsinns der dahinter steckt beurteilen? Wie albern wir doch werden, wenn wir diese Diskussion über uns ein Leben lang zu lassen würden und wie wahnsinnig werden wir, wenn wir immer und immer wieder (es sind ja immer wieder die gleichen Beispiele die genommen werden) darüber diskutieren müssten was an der Kunst so verrückt ist.
Ich sage es an dieser Stelle gerne noch mal: Mein Ziel ist nicht die Verrücktheit in der Kunst zu erreichen, sondern die Normalität die daraus entspringt, wenn ich ein Werk geschaffen habe, daß eine eigene Anmut hat, weil gerade einfach deren Schönheit und Ästhetik fremd ist und mich dadurch berührt und glücklich macht.
Stellen wir uns diesen Diskurs und das Gejammer darum einmal in Afrika vor, fangen wir gänzlich an zu lachen. Weil deren Besonderheit und Fremdartigkeit uns diese Fragen nicht im Geringsten aufwerfen würde. Nicht im Traum würden wir diese Kunst nach Wahn oder nicht Wahn beurteilen wollen.
Wie nimmst du die psychiatrische, psycho¬logische Deutung von Werken psychiatrie¬erfahrener Künstlerinnen wahr.
Gibt es diese? Nenne mir doch bitte Beispiele in welchen jemand einen/e Künstler/in gefragt hat und zwar etwas Wichtiges über deren Arbeit, bei denen der/die Künstler/in auch selbst antworten konnte.
Es wäre albern und beleidigend für alle, wenn wir uns über einen Kamm scheren ließen. Diese Allmächtigkeit und deren Beurteilungsfähigkeit - woraus entspringt die denn. Aus der Macht über den Patienten?
Kann du ein bisschen was zum Kulturnetzwerk des BPE sagen.
Das Kulturnetzwerk ist erst noch im Entstehen. Ich würde zu gerne wissen wollen, wie es sich entwickelt. Wenn nicht gleich so hohe Hürden entstehen, die Kunst gleich als Kultur verstanden wissen zu wollen.
Was wünscht du dir für psychiatrieerfahrene Künstler/innen?
Ich wünsche mir eine Kunst die den Menschen individuell zeigt. In seinem Menschsein und das auf eine gute Art und Weise, so daß ich davon lernen kann.
Ich wünsche mir eine Kunst die wirklich sinnstiftend ist in einer wahnsinnigen Welt.
Ich wünsche mir Ehrlichkeit und Respekt vor den anderen Künstlerinnen und deren schöpferischen Leistungen.
Ich wünsche glücklichere Träume die in Malerei Enden oder Beginnen.
Was ist Selbsthilfe in diesem Bereich und was hat sie für eine Bedeutung?
Selbsthilfe bedeutet, daß sich ein oder mehrere Menschen zusammenfinden, Ihre Mittel und Möglichkeiten zusammenwerfen und gemeinsam an ihren eigenständigen Kunstformen arbeiten. Vielleicht auch darüber sprechen. Schlecht wäre sich zu streiten und/oder jede Form von Absolutissmen in Haltungen. Sich so gegenseitig unterstützen. Im Idealfall werden Impulse geschaffen den langfristigen Mut machen zur Eigenständigkeit.
Aber ich warne gleichzeitig vor der Uneigenständigkeit. Die entsteht, wenn eine Person die Gruppe oder deren Haltungen dominieren will. In der Realität ist es meistens eine/r der nach außen die Gruppe vertritt. Dabei muss man unterscheiden zwischen tatsächlich selbstgeführten Gruppen und eben nicht selbstgeführten Gruppen,
Dabei darf man nicht von Selbsthilfegruppen sprechen, wenn Profis, also Menschen die dafür Geld bekommen, daß es diese Gruppe gibt und die dafür Sorge tragen die Gruppe zusammenzuhalten.
Es ist das Aberwitzige in unserer Gesellschaft, daß Millionen Euro verblasen werden, um zu planen, daß es Selbsthilfe gibt. Anstatt der Selbsthilfe die Gelder möglichst unbürokratisch und unkompliziert zur Verfügung zu stellen.
Vermutlich irre ich da, aber es macht keinen Spaß Beamter im besonderen Auftrag zu sein, um diese Gruppen zu erhalten. Darüber hinaus existiert ein ganzer Apparat nur zu dem Zweck, daß sich diese Gruppen gründen können.
Bei dieser Gelegenheit verweise ich mal darauf, daß die Definition, was Selbsthilfe bedeutet, schon lange von Profis festgeschrieben wurde. Es gibt keine Definition von Selbsthilfe von Selbsthelfenden, denn das wäre eigentlich und originär deren Recht und Aufgabe.
Jedoch könnte es auch sein, daß es genügende Profis gibt die den Selbsthilfewilligen die Selbsthilfe erklären. Siehe hierzu die diversen Diplomarbeiten von all den fleißigen Studenten/innen, die immer wieder in dass selbe Horn blassen, damit sie auch ganz bestimmt ihren Titel bekommen. Die vielen Therapeuten die als Ziel die Alleinentwicklung einer Person haben, und dann im Zuge der Therapie Selbsthilfe vorschlagen.
Welche Möglichkeiten daraus erwachsen und wie das geht, hängt von den Bedingungen ab, denn Selbsthilfe wird ohne Mittel zur Mittelmäßigkeit degradiert. Wie bei einem selbstständigen Unternehmen wird das Risiko oftmals durch Einzelnen getragen. Gerade Selbsthilfegruppen die Geld benötigen, um Öffentlichkeit zu erreichen werden nur dann erfolgreich sein, wenn es Leute mit viel Kohle im Hintergrund gibt oder der Mittelfluss konstant bleibt.
Materiell gut ausgestattete und unterstütze Gruppen die im Idealfall supervidiert werden, schaffen meistens ein paar Jahre mehr Existenz. Es gibt ja immer genug Nachschub, gerade dann, wenn die Gruppen und Institutionen regional vernetzt sind. Hierzu ist der Apparat übrigens sehr gut geeignet.
Leider meint man (meist nach 2-3 Jahren) „das Ding“ läuft auch so weiter.
Bedauerlich ist: Wenn der institutionelle Mechanismus nicht mehr funktioniert, wenn die Frage nach mehr Mittel aufkommt. Ich werfe hier mal die Frage auf: Was machen die Gruppen, die in ihrer Grundausstattung nicht mehr bedarfsdeckend arbeiten können? Sie werden auf unterstem Niveau kurzgehalten und stellen einen netten kleinen Beitrag im Sozialplan eines großen Organismus von Verwaltung dar. Wenn das die Zukunft sein soll, werden wir nur die Armut weiter verwalten und nicht schöpferisch tätig sein können. Wir werden viele Gruppen haben, die an dieses falsche System glauben werden. Es wird hoffentlich eine Frage der Ehre sein, wann dies abgeschafft wird. Denn Menschlichkeit entsteht nicht aus Mildtätigkeit, sondern hat noch mehr Aspekte.
Dieser schlechte Weg wird zurzeit von Profis gewählt, weil die vielfältigen Arbeiten, die neben solchen Gruppen entstehen, durch Personen gemacht werden, die wesentlich weiter sind und auch bereit sind mehr zu leisten. (Es gibt immer einen Blöden.) Oder schlicht und einfach, weil es ihr Job als Erzieher, Sozialarbeiter oder Therapeut ist. Dann ist es aber keine Selbsthilfe im eigentlichen Sinne, sondern eine von langer Hand geführte Gruppe, die oftmals einer Institution zuzurechnen ist und im schlimmsten Falle einem Amt.
Große Streitfrage darin sind immer die Mittel die eine Gruppe zur Verfügung hat. Selbsthilfe ohne Mittel ist eine Phrase, auch dann, wenn alle anderen Randbedingungen erfüllt sind, ist bei solchen Gruppen niemals echte Freiheit vorhanden, weil nur das Bestehen zählt, nicht die Möglichkeiten.
Die Lösungsmöglichkeiten werden immer wieder nur als Teilnahmebedingungen für die Gruppe offeriert. Dafür muss man sich in irgendwelchen scheinheiligen Sitzungen den Hintern absitzen nur um von dort, einmal im Jahr eine milde Gabe zubekommen. Sicherlich wollen manche in den Gruppen nur ein wenig Ruhe und sitzen ihrer Möglichkeiten in der Form aus, aber alle anderen wollen vielleicht auch mal ein bisschen mehr.
Als Beispiel möchte ich nur kurz auf unser Atelier Projekt verweisen. Das hatte es am Anfang leicht, weil erstmal Mittel durch Profis und Stiftungen zur Verfügung gestellt wurden. Dann aber wurde nach den letzten drei Jahren Laufzeit, die Forderung und der Anspruch so hoch, daß die Mittel bei weitem nicht mehr reichten, um die vielfältigen, öffentlichen Auftritte zu bezahlen. Schade, daß die Chancen nicht gewachsen sind mit den Möglichkeiten. Wo immer ein Zopf gewachsen war wurde er in den Möglichkeiten beschnitten und es waren private Investitionen die das Rad am Laufen hielten.
Noch ein kurzes Wort zur Bedeutung:
Wenn Bedeutung bedeutet das es der Gruppe gut geht und sich die Menschen in der Gruppe gut entwickeln, dann bedeutet das aber auch Verantwortung zu übernehmen und nicht auf halber Strecke stehen zu bleiben.
- Geplante Aktionen die nicht mehr durchführbar sind, müssen dann auch abgesagt werden, selbst wenn es noch Möglichkeiten gäbe das ganze billiger zu haben. Denn es bleibt immer wieder an Einzelnen hängen, die viel Mut und Unternehmergeist in diese Aufgaben hängen. Das ist übrigens auch eine Gefahr die entsteht. Daher ist es wichtig sich selbst aus diesem Kreislauf zu befreien.
- Selbsthilfe kann ein Akt der Befreiung sein, auch wenn er in den Ruin führt. Ob es dann wirklich Kunst war entscheidet, wie immer, das Publikum.
Kann Selbsthilfe zur Kunstform werden?
Sie kann, aber der erste Schritt ist das Verlassen einer von Profis dominierten Gruppe oder das sich Selbstbefreiende („..ich mache jetzt meinen Kram selber“) („..Ihr könnt mich mal“)
Freiheit, Gerechtigkeit und Einheit – das sind die Grundlagen unserer Gesellschaft. Der freie Wille entscheiden zu können was ich oder eine andere in der Kunst wollen, dazu hat man diese Freiheit in den Gedanken als auch in den Möglichkeiten mit sich selbst.
Die Befreiung findet heute nicht wegen mangelnder Betreuung statt, sondern wegen tatsächlichem Ausbruch aus dem System. Das ist das große Problem, weil ich als Künstler erst erfahren muss, was Freiheit bedeutet, nämlich die Unabhängigkeit von einem System zu erreichen.
Drei Regeln:
Die Kunst ist frei.
Die Kunst ist wild.
Der Künstler ist der liebe Gott in seinem Werk.
Wenn wir also von all diesen Gedanken ausgehen, muss das oberste Ziel sein, sich in und als diese Gruppe der Selbsthilfewilligen, unabhängig zu machen. Mal gelingt dies, manchmal nicht.
Gerade das ist der Grund und die Chance, warum es Selbsthilfe geben sollte. Nicht daß es die Gruppe dauerhaft gibt, sondern dass es den Personen in der Gruppe gut geht und sie Ihre Chancen nutzen können. Auch wenn diese albern, dumm oder banal sind. Jeder hat das Recht darin seine persönlichen Entwicklungen zu machen. Selbst wenn sich diese in Wahnsinn entwickeln – dann sei das halt so.
Wahnsinn bedeutet meistens auch Entwicklung und das sich Befreien von katastrophalen Zuständen. Die Reaktion im Wahn ist eine gesunde Reaktion des Körpers auf das Äußere und Innere.
Die Fragen stellte vor vielen Jahren: Sybille Prins
Info s zu Sybille Prins
hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Sibylle_Prins
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